Ein kleines idyllisches Dorf in Griechenland, von Hügeln umgeben, nah am Meer gelegen, unweit der Touristenattraktion Delphi: So präsentierte sich uns Distomo auf der Kursfahrt des Leistungskurses Politikwissenschaft des 13. Jahrgangs der Fritz-Karsen-Schule Ende September 2017. Doch dieser Ort kann nicht vergessen, darf nicht vergessen – und nicht vergessen werden. Denn hier fand am 10. Juni 1944 ein grausames Massaker an der dort lebenden Zivilbevölkerung statt, verübt durch eine deutsche SS-Einheit.

Am 17. und 18. Oktober 2017 führte eine Theatergruppe das Stück “Distomo – Unbeglichene Schulden” an der Fritz-Karsen-Schule auf. Darin wird dokumentarisch das Massaker und dessen Folgen dargestellt, sowie die Debatte um Aufarbeitung und Entschädigung. Die Schule öffnete am Abend des 17. Oktober ihre Aula und von den ungefähr 150 Besucherinnen und Besuchern waren viele nicht von der FKS.

Eine Zeitzeugin erzählt, wie vor ihren Augen ihre Familie hingerichtet wurde, eine andere, wie sie nach dem Massaker als kleines Kind die Trauer eines ganzen Dorfes erlebte. Auf der Bühne stellen die jungen Darstellerinnen die Interviews nach, die sie selbst geführt haben, unterbrochen durch zähe Sitzungen, Gerichtsverhandlungen und Parlamentsdebatten, in denen die immer wiederkehrende Frage nach Entschädigung der Opfer immer wieder aufgeworfen, vertagt, erledigt wird. Besonders eindrucksvoll wirkt ein griechisches Partisanenlied über die Sprengung einer für die Deutschen wichtigen Brücke. Voller Stolz, gemeinsam und laut wird die Kraft spürbar, die im Widerstand gegen die deutsche Besatzung lag. Mit fantastischer Stimme singt eine Darstellerin ein Lied über das Massaker in Distomo, das einigen Schülerinnen und Schüler, ohne die Sprache zu verstehen, Gänsehaut verursacht.

Die politische Botschaft ist eindeutig: Die Gruppe setzt sich dafür ein, dass die Opfer und ihre Nachkommen für das entschädigt werden, was in ihrem Dorf passierte. In deutschen Schule ist die Besatzung Griechenlands durch die Nazis selten Thema. Besonders in der Debatte um die Rückzahlung von aktuellen Schulden an Deutschland ist dieses Thema allerdings von Bedeutung. Besonders die betroffenen Dörfer – Distomo ist nur eines von vielen – leiden unter den Folgen der Massaker. Das Aufwachsen ohne Eltern und Großeltern, die Verschickung von Waisen, die jahrelange, kollektive Trauer haben ganze Gemeinden nicht nur psychisch, sondern eben auch wirtschaftlich belastet und belasten sie heute noch.

Bei unserem Besuch in Distomo trafen die Jugendlichen unseres Leistungskurses auf Jugendliche des dortigen Lyzeums und schufen unter Leitung der Theaterpädagogin Katerina Adamara, die auch an dem Stück mitgewirkt hat, gemeinsame Erinnerungen und Wünsche für die Zukunft. Die Auseinandersetzung mit dem Thema wird auch an unserer Schule fortgesetzt: Auch in diesem Jahr werden Schülerinnen und Schüler zweier PW-Leistungskurse nach Distomo fahren und sich gemeinsam mit Schülerinnen und Schüler der Deutschen Schule Athen der Vergangenheit stellen.