Am 26. September 2017 besuchte der Leistungskurs Politikwissenschaft des 13. Jahrgangs der Fritz-Karsen-Schule im Rahmen einer Kursfahrt die am Fuße des Parnass-Gebirges gelegene Kleinstadt Distomo in Griechenland. In Distomo verübte am 10. Juni 1944 eine der deutschen Wehrmacht zugeordnete Einheit der sogenannten Waffen-SS ein Massaker, bei dem 218 Menschen getötet wurden. Im Geschichtsunterricht erfahren wir viel über die Besatzung durch die Deutschen im Osten oder in Frankreich – aber was geschah in Griechenland? Das ist den meisten Schülerinnen und Schülern unbekannt.

In Deutschland hören wir immer wieder, dass es einen “Schlussstrich” geben müsse. Die Aufarbeitung der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs wird von vielen als abgeschlossen empfunden – man habe doch erinnert und gezahlt. An Orten wie Distomo werden wir eines Besseren belehrt. Ein Kapitel abzuschließen ist nicht leicht, wenn es einen direkt betrifft. Eine Generation ist als trauernde Waisen und Halbwaisen aufgewachsen, als Schwestern und Brüder ihrer ermordeten Geschwister, als Mütter ohne Kinder und Großeltern ohne Enkel. Im Museum in Distomo und in der Dokumentation über Argyris Sfountouris erfahren wir, dass das Massaker ein ganzes Dorf traumatisierte. Von Aufarbeitung und Entschädigungszahlungen war im Fall Distomo außerhalb des Dorfs nicht die Rede.

Dem schwierigen Thema haben sich die Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse des Gymnasiums Distomo und der Fritz-Karsen-Schule Berlin, begleitet von der Theaterpädagogin Katerina Adamara, gemeinsam genähert. Aus der Beschreibung von alten und neuen Bildern der gleichen Orte entstanden kurze Texte, welche die verschiedenen Perspektiven zeigen, aber auch die Hoffnung und Annäherung aneinander. Im Museum in Distomo sahen wir einen Film, der die Ereignisse um das Massaker ausführlich und historisch genau beschrieb. Wir sahen die Bilder all derer, die ermordet wurden und von denen es noch Bilder gibt und wir konnten die Grausamkeit nachvollziehen, mit der die deutschen Soldaten vorgingen. Sie hatten damals nur den Befehl zu töten. Dass sie es auf diese grausame Art und Weise taten, war ihre eigene Entscheidung. Sogenannte “Vergeltungsaktionen” gegen die Partisanen waren damals an der Tagesordnung.

Als wir danach ein Haus ansehen durften, in dem zehn Menschen während des Massakers den Tod fanden, sprach uns eine alte Frau an, die das Ereignis überlebte, als sie vier Jahre alt war. Sie lebte damals und lebt heute immer noch neben diesem Haus. Darin zeigt sich, wie lebendig das, was uns als “Geschichte” erscheint, immer noch ist. Wie kann man abschließen mit solch einer Geschichte? Umso erstaunlicher erscheint der herzliche Empfang, den man uns in Distomo bereitete. Wir freuen uns darüber, dass die Schülerinnen und Schüler aus Distomo im Dezember auch unsere Schule besuchen konnten und hoffen auf einen weiteren Austausch im Sommer 2018.

Vielen herzlichen Dank an Vasiliki Karanasou, die unsere Begegnung an der Schule mit ihrer Klasse ermöglichte.