Das Projekt fand an der Fritz-Karsen-Schule statt. Die Fritz-Karsen-Schule ist eine inklusive Gemeinschaftsschule. Die Schule befindet sich im südlichen Berliner Bezirk Neukölln. Sie liegt auf einem recht großzügigen Gelände im Ortsteil Britz, eingebettet in einen Grünzug, Fennpfuhl und Akazienwäldchen im Norden, Britzer Gutspark im Süden. Westlich der Schule liegt der alte Dorfkern von Britz mit Teich, Kirche und ehemaliger Dorfschule, die drei Stammgruppen des jahrgangsübergreifenden Lernens beherbergt. Weiterhin gehört zur Schule die ehemalige Kita in der Fulhamer Allee, die von 6 Stammgruppen der Jahrgangsstufe 1-3 genutzt wird. Im Osten grenzt das Schulgelände unmittelbar an die von Bruno Taut in den zwanziger Jahren gebaute Siedlung (u.a. Hufeisen-Siedlung).

Das Projekt wurde in der Stammgruppe “Wasser” durchgeführt, sie ist eine der neun Jül 1-3 Klassen der Schule. In der “Wasser”-Klasse lernen insgesamt 24 Kinder (12 Mädchen/12 Jungen), davon sind 5 Kinder in der Jahrgangsstufe 1 (interne Bezeichnung: Sonnen), 9 Kinder in der Jahrgangsstufe 2 (Monde) und 10 Kinder in der Jahrgangsstufe 3 (Sterne). Das jüngste Kind ist im Winter 6 Jahre alt geworden, das älteste 10. Von den 24 Schülern hat ein Drittel einen Migrationshintergrund, bei dem die deutsche Sprache nicht dominant ist. Drei Schüler haben zudem sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich Sprache, emotional soziale Entwicklung sowie Autismus.

Die Klassen haben von 8.00 bis 10.15 Uhr und von 11.00 bis 12.30 Uhr Lernzeit, anschließend eine zweistündige “Mittagsfreizeit” mit integriertem Mittagessen und an drei Tagen noch weitere zwei Stunden Lernzeit. Der Unterricht folgt nicht stringent einer 45-minütigen Taktung, da keine üblichen 5-Minuten-Pausen eingeplant sind und der Unterricht nach Bedarf in unterschiedliche Zeitabschnitte gegliedert werden kann. Nur von 10.15 Uhr bis 11.00 Uhr ist eine gemeinsame Bewegungspause fest verankert. Ebenfalls zu vorgegebenen Zeiten finden Sport und der Englischunterricht statt, sowie Lebenskunde und Religion. Jede Klasse hat eine Klassenlehrerin und eine/n “Stamm”-Erzieher/in, sowie stundenweise Unterstützung durch eine Sonderpädagogin und Integrationserzieherin. Die Pädagoginnen von drei Klassen bilden je ein Team. An diesem Projekt beteiligten sich die Klassenlehrerin (Mathematik, Sachkunde, Sport, Musik und Kunst), die Religionslehrerin, die Lebenskundelehrerin und die Gruppenerzieherin.

Didaktische Überlegungen zur Auswahl des Films
Auch und gerade wegen der Heterogenität der SchülerInnen entschieden wir uns die Kurzfilmrolle anzusehen. Wir hatten uns bereits im Vorfeld für den Film Der Schlips entschieden. In dem belgischen Trick-Film von An Vrombaut spielen Musik und Rhythmus eine wichtige Rolle: Die Giraffen auf dem orangefarbenen Giraffenplaneten sind so groß, dass eine kleine dazukommende Giraffe (ein Giraffenkind) gar nicht bis zu den Köpfen gucken kann, über Rhythmus nehmen kleine und große Giraffe Kontakt zueinander auf und kommunizieren. Im Schulalltag wird viel binnendifferenziert. Uns war wichtig, dieses Projekt auch dazu zu nutzen, ein integrierendes Angebot, bei dem jedes der Kinder sich einbringen kann, zu unterbreiten. Ein gemeinsamer Tanz mit Gesang und selbst gemachten Rhythmus-instrumenten sollte dieses Angebot sein. Darüber hinaus planten wir verschiedene differenzierte Angebote zum Thema Giraffe.

Nach dem Kinobesuch konnten wir leider nicht die unmittelbaren Eindrücke der SchülerInnen sammeln, da die Sternekinder am Nachmittag zum Schwimmen gingen. Am nachfolgenden Freitag war Fasching angesetzt und am folgenden Montag Studientag. Die Sonnen- und Mondkinder konnten sich allerdings am Nachmittag nach dem Kinobesuch kreativ mit dem Film auseinandersetzen: Wachsmalkreide waren ein gutes Medium, um Bilder der Giraffenwelt zu schaffen.

Erst am Dienstag konnte eine gemeinsame Auswertung angegangen werden. Die SchülerInnen gaben ihrem Lieblingsfilm aus der Kurzfilmrolle Punkte und begründeten ihre Wahl. Die Kurzfilme Der kleine Vogel und das Eichhörnchen sowie Der gebratene Fisch lagen mit jeweils sechs Punkten auf dem ersten Platz. Den Schülern gefiel in dem erst genannten Film besonders, dass der Fuchs geärgert wurde. In dem Film Der gebratene Fisch, beruhte die Begeisterung darauf, dass der Fisch, obwohl er immer weniger wurde, trotzdem noch lebte. Der Schlips folgte mit fünf Punkten. Für das Interesse sorgte das verspielte Verhalten der kleinen Giraffe. Einen Punkt weniger bekam der Film Agnes und Luftpost wurde mit einem Punkt bewertet. Aus den genannten pädagogischen Überlegungen und auch, weil die ersten Arbeiten zum Film bereits fertig gestellt wurden, blieben wir bei unserer Auswahl. Die Grippewelle schlug auch bei uns zu. Der geplante “Giraffentanz” konnte nicht der Hauptbestandteil werden, da die Kollegin mit der größten musikalischen Erfahrung zwei Wochen fehlte. So erhielten andere Aktivitäten einen größeren Stellenwert als ursprünglich geplant.

Wir ermöglichten den Kindern folgende Aktivitäten innerhalb der Projektarbeit:

Binnendifferenzierung auf der einen Seite, außerschulische Aktivitäten während der Lernzeit (Musikschule etc.) auf der anderen bedingen, dass die einzelnen Kinder unterschiedlich intensiv unterschiedliche Aktivitäten wahrgenommen haben.

Das Sachwissen über Giraffen haben sich die SchülerInnen in Gruppen erarbeitet. Ziel war es ein Plakat mit den wichtigsten Informationen zu erarbeiten. Bücher und teilweise schon kopierte Seiten (damit sofort Notizen bzw. Markierungen vorgenommen werden konnten) wurden als Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt. Anschließend wurden die Ergebnisse vor der gesamten Gruppe präsentiert.

Die Plakate sowie die gemalten Bilder zum Film sollten den Hals einer großen Giraffe darstellen. Den übrigen Teil der Giraffe, Kopf und Körper, haben die SchülerInnen auf einzelnen Plakaten dazu gemalt. Für die Klassengemeinschaft war es gut zum Schluss ein gemeinsames dargestelltes Projekt zu haben. Jeder hat mit einem kleinen Beitrag etwas zu der großen Giraffe beigetragen.

Aus Tansania stammt die Fabel “Wie die Giraffe zu ihrem langen Hals kam”. Im vergangenen Schuljahr hatte die Stammgruppe sich im Rahmen des Deutschunterrichts intensiv mit Fabeln beschäftigt. So war den SchülerInnen die Literaturgattung bekannt, die “Moral von der Geschicht” schnell gefunden und der Unterschied zu ihnen bekannten Fabeln herausgefunden. Es ist auch eine Geschichte, die erzählt, warum etwas so ist, wie es ist, nämlich, warum die Giraffe langhalsig ist und das Nashorn auf uns Menschen durchaus mal aggressiv reagiert.

In einem ersten Arbeitsschritt durften die SchülerInnen sich mit selbst gewählten Medien und Methoden mit der Fabel beschäftigen. In einem nächsten Schritt wurden die ersten Ideen begutachtet: Kann die Idee tatsächlich umgesetzt werden? Wird die Umsetzung der Idee auch in folgenden Stunden noch Spaß machen? Einige Ideen wurden verworfen, so zeigte sich: Für ein Bilderbuchkino ist die Geschichte zu lang, es wird ermüdend, so viele sehr ähnliche Bilder zu zeichnen und eine langhalsige und langbeinige Giraffe aus Knete steht schlecht.

Diese Einsichten sind Lernprozesse, da wir Pädagoginnen ein Innehalten und Beurteilen zu einem sehr frühen Zeitpunkt initiiert haben. Wir einigten uns nun darauf, die Geschichte in einzelne Abschnitte aufzuteilen, zu denen jeweils ein Bild gestaltet wurde, so dass die Fabel, wie in einem Bilderbuch Seite für Seite illustriert wird. Daran wollten die anwesenden Kinder mitarbeiten. Schließlich lasen einige Kinder eine Kurzfassung der Fabel laut vor, die Lehrerinnen nahmen das auf. So soll eine CD entstehen, die die Fabel auf zweifache Weise präsentiert.

Ergänzend sollen Fotos und Tonaufnahmen des musikalischen Teils die CD vervollständigen. Nachdem wir einige Rhythmusübungen mit den Kindern ausprobierten, studierten wir ein senegalesisches Kinderlied ein. Später begleiteten die Kinder mit ihren selbstgebauten Tamburinen den Gesang. So konnte das einstrophige Lied durch Variationen in der Lautstärke, mit und ohne Tamburin, mit und ohne Klatschen mit und ohne Stampfen usw. vielfältig und über eine gewisse Zeitspanne mit viel Freude gesungen werden.

Die selbstgebauten Tamburine wurden aus zwei Papptellern, Kronkorken und Wolle gebastelt. Die Lehrerin stanzte in jeweils einen Teller 9 Löcher am Tellerrand. Die SchülerInnen bemalten nach ihrem Geschmack die beiden Tellerflächen. Anschließend wurden diese auf den Unterseiten zusammengeklebt. Jeweils zwei Kronkorken, die ebenfalls mit einem Loch versehen waren, wurden auf ein Stück Wolle aufgefädelt. Die Wolle wurde durch beide, in den Tellern vorhandenen Löcher, gefädelt und zusammengeknotet. Insgesamt wurde der Vorgang neun Mal wiederholt. Die SchülerInnen waren stolz, jeder sein individuelles Tamburin gebastelt zu haben und die Möglichkeit zu bekommen es gleich einzusetzen.

Abschließende Betrachtung
Ein Kinobesuch auf der Berlinale ist etwas Besonderes, die exklusive Stimmung war spürbar. Der Film bot vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten für die Projektarbeit. Die Schülerinnen und Schüler waren zum Teil mit großer Begeisterung dabei und genossen, dass sich bei dieser Differenzierung andere Gruppen bildeten als sonst. Gerade der musisch-kreative Teil erwies sich als sozial-integrativ für die Gesamtgruppe.

Erschwerend war der Krankenstand bei Erwachsenen wie bei Kindern. Mal fiel eine Doppelsteckung aus, weil vertreten werden musste, mal fiel fürs das Projekt geplanter Unterricht aus. Mal konnten die Kinder etwas nicht beenden, weil die krank waren. Auch, dass einzelne Kinder wegen anderer Aktivitäten Lernzeit, die für das Projekt genutzt wurde, nicht in der Schule verbrachten, war in diesem Fall nicht von Vorteil.

Die an dem Projekt beteiligten Erzieherinnen und Lehrerinnen haben mit Freude am Projekt gearbeitet, neue Formen der Zusammenarbeit entwickelt, ihr Improvisationstalent geschult und hoffen, dass sich auch die SchülerInnen gerne an die Berlinale 2015 erinnern werden. Als sich bei der Abschlussstunde alle Kinder um die auf dem Boden liegende Giraffe versammelten, das senegalesische Lied sangen und tanzten, war die Stimmung nicht nur sehr gut, sondern wir merkten den Kindern auch an, wie stolz sie auf ihre Riesengiraffe waren.

Regie: An Vrombaut
Zuzanna Kuhlmann, Barbara Lange, Ulrike Meyen, Barbara Sanke
Jaax/Malya (Hrsg): Wie die Giraffe zu ihrem langen Hals kam und andere Fabeln aus Tansania. Wuppertal, Peter Hammer Verlag 1991.