Nach dem Krieg wurde im zerstörten Berlin nur unter großen Mühen der Schulbetrieb wieder aufgenommen, wobei die alten Strukturen pragmatisch beibehalten wurden (die gesetzlichen Regelungen waren weitgehend die preußischen aus der Zeit vor 1933), aber versucht wurde, mit neu ausgebildeten Lehrern und Schulhelfern den personellen Engpaß zu überwinden. Als wesentliches Ziel einer Demokratisierung Deutschlands hatten sich die alliierten Besatzungsmächte eine Reform des deutschen Schulwesens gesetzt, wobei die USA und die UdSSR eine “Einheitsschule” nach amerikanischem bzw. russischem Vorbild favorisierten (was allerdings nur teilweise deutschen Reformvorstellungen entgegenkam).

So ordnete die Alliierte Kommandantura nach der ersten Wahl in Groß-Berlin 1946 an, ein “Gesetz zur Schulreform” für Berlin zu entwerfen. Dieses Gesetz wurde am 13.11.47 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, am 22.6.48 von der Alliierten Kommandantura mit Wirkung vom 1.6.48 angeordnet und am 26.6.48 vom Magistrat von Groß-Berlin verkündet. Damit wurde für ganz Berlin die “Einheitsschule” eingeführt, allerdings zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt: die Probleme der Währungsreform (in Ost- und West-Berlin verschiedene Währungen), der Blockade und schließlich der Spaltung der Stadt in westlich und östlich regierte Bezirke behinderten offensichtlich eine zügige Umsetzung der Reform.

Der Begriff “Einheitsschule” wurde bereits vor 1945 benutzt. Gemeint war damit ein Schulsystem, das sich nicht schichtenspezisch definiert, sondern in dem alle Heranwachsenden gemeinsam unterrichtet und erzogen werden – seit Beginn dieses Jahrhunderts vor allem eine Forderung der SPD. (So forderte P. Oestreich, teilweise auch Karsen, eine “elastisch differenzierte Einheitsschule”, die allen eine zeitgemäße und nach den individuellen Fähigkeiten und Interessen differenzierte Bildung gewährleisten sollte). Damit war also keineswegs eine Normierung (“Egalisierung”) schulischer Bildung gemeint, aber eine deutliche Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem (Karsen: weder “Dreiheits- noch Zweiheitsschule”, sondern “Einheitsschule”). In der Reichsschulkonferenz von 1920 wurde die Einheitsschule nur teilweise, nämlich in Form der vierjährigen Grundschule beschlossen.

Rudolf Reinhardt

Auszug aus dem Schulgesetz für Groß-Berlin 1948

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Das Schul- und Unterrichtswesen Groß-Berlins umfaßt in einem einheitlichen Aufbau den Schulkindergarten, die in sich gegliederte zwölfjährige Einheitsschule, die Fachschulen und die Hochschulen mit Ausnahme derjenigen, die zonalen Charakter haben.

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1. Die Einheitsschule gliedert sich in zwölf aufsteigende Klassen. Ihr Aufbau hat von unten herauf organisch zu erfolgen.

2. In den ersten vier Klassen wird der Unterricht im wesentlichen ohne fachliche Gliederung als ein von der Heimatkunde ausgehender Gesamtunterricht erteilt. Von der fünften Klasse an findet eine Fächerung des Unterrichts statt. Außerdem beginnt hier der Unterricht in einer lebenden Fremdsprache nach freier Wahl.

3. Mit der siebenten Klasse beginnt für alle Schüler eine Gliederung des Unterrichts in einen gemeinsamen Kernunterricht und in wahlfreie Kurse, die u. a. auch die Möglichkeit zur Erlernung einer zweiten Fremdsprache, z. B. des Lateinischen, bieten.

4. Schüler, deren Begabung und Bildungswille später hervortritt, erhalten nach dem achten Schuljahr die Möglichkeit, durch Aufbaukurse den Anschluß an die weiterführende Schulbildung zu finden.

5. Die Wahl der Kurse, der weiteren Fortbildung oder des Berufes soll von den Wünschen der Schüler und der Eltern sowie von der Ansicht des Klassenlehrers und des Schulleiters abhängen.

6. Die Klassen der beiden Zweige der 12jährigen Einheitsschule (9. bis 12. Schuljahr) sind grundsätzlich in ein und demselben Gebäude unterzubringen und vom gleichen Lehrpersonal gemeinsam zu unterrichten, sofern die Fächer sich zum gemeinsamen Unterricht eignen.

Insbesondere ist das demokratische Empfinden zu entwickeln durch gemeinsamen Unterricht in Gegenwartskunde des In- und Auslandes. Durch Zusammenarbeit in der Schülerselbstverwaltung, durch Elternausschüsse, durch kulturelle und sportliche Tätigkeit und durch das Sozialleben der Schule wird der Gemeinschaftsgeist gefördert.

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1. Im Unterricht derjenigen Schüler, die in einen praktischen Beruf übergehen, wird im neunten Schuljahr neben der allgemeinen Menschenbildung die Aufgabe der Berufsfindung besonders betont.

2. An dieses Schuljahr schließt sich der dreijährige Besuch einer Berufsschule, die als Ergänzung einer praktischen Lehre oder Berufsausübung ihren Unterricht an zwei Tagen jeder Woche mit mindestens zwölf Stunden erteilt.

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1. Diejenigen Schüler, die in einen wissenschaftlichen Beruf übergehen, werden vom neunten Schuljahr an im wissenschaftlichen Zweig der Einheitsschule zusammengefaßt. Auch dieser Unterricht gliedert sich in Kernunterricht und Kurse, die eine Ausbildung in naturwissenschaftlicher, neusprachlicher und humanistischer Richtung ermöglichen.

2. Erfolgreiche Teilnahme am Unterricht bis zur zwölften Klasse führt zur Hochschulreife.